Welche potenziell kritischen Nährstoffe gibt es in der veganen Ernährung?
- Leona Lauter
- 28. Sept. 2024
- 6 Min. Lesezeit

Eine pflanzenbasierte Ernährung bietet zahlreiche gesundheitliche Vorteile und schont gleichzeitig die Umwelt. Doch wer sich rein pflanzlich ernährt, sollte sich bewusst mit bestimmten kritischen Nährstoffen auseinandersetzen, um Mangelerscheinungen vorzubeugen. Besonders für Neulinge in der veganen/pflanzlichen Lebensweise stellt sich die Frage: Welche Nährstoffe fehlen möglicherweise in einer pflanzlichen Ernährung und wie kann man sie am besten ausgleichen? In diesem Artikel erfährst du, welche potenziell kritischen Nährstoffe du im Auge behalten solltest und wie du sicherstellst, dass dein Körper alles bekommt, was er braucht. Von Vitamin B12, über Eisen bis Omega-3-Fettsäuren wird hier alles abgedeckt.
Vitamin B12
Funktionen: Blutbildung, DNA-Synthese, Energieproduktion in den Mitochondrien, im Nervensystem Botenstoff-Synthese (Serotonin), Schutz von Nerven durch Aufbau & Erhalt der Zellmembranen und Myelinscheiden, Homocystein-Stoffwechsel (Entgiftung)
Zufuhrempfehlung: ~4 Mikrogramm (4 tausendstel milligramm)
Quellen: pflanzliche Lebensmittel wie Knollen-/Wurzelgemüse, fermentierte Lebensmittel und Algenarten enthalten höchstens Spuren von Vitamin B12, sind also in keiner Weise eine ausreichende Quelle, Supplemente in verschiedener Form
Mangelerscheinungen
marginal: Müdigkeit, Kraftlosigkeit
manifest: hämatologische & neurologische Symptome
Sonstiges:
der Körperspeicher von B12 ist häufig sehr groß bzw. B12 hat eine sehr lange Halbwertszeit (ca. 1-4 Jahre) → sodass bei einer B12-freien Ernährung nicht sofort Mangelerscheinungen auftreten.
weil es bei jedem Menschen unterschiedlich ist, ist es umso wichtiger regelmäßig seine B12 Werte beim Arzt*Ärztin checken zu lassen (mindestens jährlich) und bei einer veganen Ernährung aus Sicherheitsgründen direkt anzufangen Vitamin B12 zu supplementieren
ich sage das so nachdrücklich, weil ein B12 Mangel wirklich fatale Folgen haben kann, darunter auch Schäden am Nervensystem, die irreversibel sind, also bitte habt immer ein gutes Auge auf eure Versorgung
Vitamin D
Funktionen: Calcium- & Phosphathomöostase (Knochenstoffwechsel, Knochenbildung), Immunsystem (anregende Wirkung auf Bildung & Reifung v. Immunzellen), und mehr ich sag mal kleinteiligere Funktionen, es steht auch in Diskussion über präventive Wirkung gegenüber chronischen Krankheiten wie Darmerkrankungen oder Autoimmungerkrankungen
Zufuhrempfehlungen: 20 Mikrogramm
Quellen: pflanzliche Lebensmittel enthalten keine bedarfdeckenden Mengen, Pilze wie Steinpilze oder Pfifferlinge enthalten zwar Vitamin D, aber um den täglichen Bedarf zu decken müsste man dann 1kg Pilze essen
Vitamin D kann endogen (also vom Körper selbst) in der Haut hergestellt werden durch UV-B-Strahlung (also direktes Sonnenlicht)
abhängig von Körperbedeckung, Hautfarbe, Breitengrad, Jahreszeit, Dauer der Exposition, Sonnenschutzmittel, Alter, sogar Luftverunreinigung
Solarien sind btw keine gute Lösung im Winter, weil sie meistens mit UV-A-Strahlung arbeiten und eben nicht mit UV-B-Strahlung
Supplemente sind die sicherste Variante den Körper mit Vitamin D zu versorgen und über das gesamte Jahr über sinnvoll
Mangel:
marginal: Knochen-/Muskelschmerzen, eingeschränkte Mobilität
manifest: Rachitis (Kinder), Osteomalazie (Erwachsene)
Sonstiges:
Vitamin D wird auch als Hormon bezeichnet, bzw genauer gesagt Prohormon, also einem Hormon-Vorläufer, aus diesem wird im Körper das Hormon Calcitriol hergestellt
Vitamin D ist allerdings ein Lipid und wird deshalb zu den fettlöslichen Vitaminen gezählt
außerdem ist Vitamin D nicht nur in der veganen Ernährung ein kritischer Nährstoff, sondern in der omnivoren Allgemeinbevölkerung ebenso, also auch da ein Auge auf die Versorgung haben
Vitamin B2
Funktionen: als Coenzym (bzw die Coenzyme FMN und FAD) ist es an verschiedenen Stoffwechselprozessen beteiligt, darunter: Energiegewinnung, Gewebewachstum, Immunabwehr, Schutz der Nervenzellen, Antioxidative Wirkung
Zufuhrempfehlung: ca. 1,1-1,4 mg/Tag
Quellen: die Auswahl ist nicht riesig und man sollte auf jeden Fall ein Auge drauf haben, weil pflanzliche Lebensmittel keine riesigen Mengen enthalten - Tempeh, Pilze, Mandeln, Hefeflocken, Ölsamen & Nüsse, grünes Gemüse (z.B. Brokkoli), Vollkorngetreide & Keime von Getreide / Hülsenfrüchten
Mangel
marginal: Appetitverlust, Muskelschwäche
manifest: Haut-/ Schleimhautveränderungen, Anämie
Sonstiges:
B2 ist sehr lichtsensibel, man sollte die Produkte also dunkel lagern & auch bei der Zubereitung schonende Methoden verwenden wie dünsten und dämpfen
Calcium
Funktionen: Mineralisierung von Knochen & Zähnen, eine Art Botenstoff für Reizweiterleitung v. Nerven & Muskeln, Blutgerinnung
Funfact: nur 1% des Calciums im Körper ist in Blut oder Gewebe, die restlichen 99% sind in Knochen & Zähnen → diese 1% werden aber sehr genau in einer bestimmten Konzentration gehalten & bei einem Mangel wird Calcium aus den Knochen mobilisiert, um diese Konzentration aufrecht zu erhalten
Zufuhrempfehlung: 1000mg = 1g
Quellen: grünes Gemüse wie Brokkoli, Grünkohl, Pak Choi, Rucola, Wildkräuter; Hülsenfrüchte v.a. Kichererbsen & Soja; Nüsse & Ölsaaten (Mandeln, Paranüsse, Sesam(mus), Chiasamen, Hanfsamen); Trockenfrüchte wie Datteln; Mineralwässer & Pflanzendrinks in geringen Mengen (Wasser nur sinnvoll bei einem Gehalt über 400mg/l, Pflanzendrinks haben meistens gleichen Gehalt wie Milch also ca. 120mg/l und dienen somit nur als Ergänzung)
Mangel
eher selten, eher als Folge einer Erkrankung
Auswirkungen auf Knochenmineralisierung & Knochendichte sowie Muskelfunktionsstörungen
Probleme können auch bei Vitamin D Mangel auftreten
Sonstiges
Faktoren, die die Calcium Aufnahme hemmen können: andere Mineralstoffe wie z.B. Zink oder Eisen, Oxalsäure, Phytinsäure, Ballaststogge, Tannine in Kaffee oder Tee, Vitamin D Mangel, Phosphat (in Softdrinks oder Fertigprodukten)
Faktoren, die die Aufnahme fördern können: einweichen, keimen oder fermentieren (v.a. bei Hülsenfrüchten sehr sinnvoll); Vitamin D; organische Säuren (Milchsäure oder Zitronensäure); Verteilung der Aufnahme über den Tag
Zink
Funktionen: im Stoffwechsel als Cofaktor, DNA-Synthese, Energiestoffwechsel, Säure-Basen-Haushalt, Entgiftung von Alkohol, somit wichtig für: fetale Entwicklung, Gehirnentwicklung, Reprpdultion, Knochenbildung, Wachstum & Wundheilung; außerdem: Zellteilung, Insulinspeicher, & Immunabwehr
Zufuhrempfehlung: ca. 7-16mg/Tag, abhängig v. Phytatzufuhr
Quellen: die Aufnahme von Zink aus pflanzlichen Lebensmitteln kann ähnlich wie bei Calcium gehemmt und gefördert werden, es gelten ähnliche Regeln wie bei Calcium. Vollkorn- & Pseudogetreide, sowie Getreidekeime (immer wichtig für Mineralstoffe und Vitamine Vollkorn zu konsumieren, weil hier auch die Randschichten des Getreidekorns verwendet werden, nur hier sind relevante Mengen an Nährstoffen enthalten), Nüsse & Ölsaaten (Kürbiskerne & Sonnenblumenkerne), Hülsenfrüchte (Linsen & Soja)
Mangel
marginal: Geruchs- und Geschmacksstörungen, Appetitverlust
manifest: gestörte Immunfunktion, Haarverlust, Dermatitis, chronische Durchfälle
Eisen
Funktionen: Sauerstofftransport & -Speicherung, Energiegewinnung in den Mitochondrien, Cofaktor - involviert in DNA-Synthese, Zellbildung, Blutbildung, Synthese v. Botenstoffen, im Immunsystem als Prooxidans zu Abwehr krankheitserregender Mikroorganismen
Zufuhrempfehlung: 10-15mg/Tag (Menstruierende haben einen höheren Bedarf wegen des Blutverlustes während der Periode)
Quellen: in pflanzlichen Lebensmitteln kommt Eisen nur als sogenanntes Nicht-Häm-Eisen vor (in tierischen hingegen als Häm-Eisen), sodass die Bioverfügbarkeit aus pflanzliche Quellen geringer ist als bei tierischen Quellen - die Aufnahmerate liegt bei etwa 2-20%, die Aufnahme kann ähnlich wie bei Calcium & Zink gehemmt und gefördert werden, es gelten ähnliche Regeln wie bei den anderen beiden Mineralstoffen. Hülsenfrüchte, Nüsse & Ölsaaten, Getreide & Pseudogetreide, Trockenfrüchte, Gemüse (u.a. Erbsen, Pilze, grünes Blattgemüse), bestimmte Kombinationen wie Salat mit Zitronendressing zum Vollkorngetreide, oder frischer Orangensaft zu Haferflocken, oder Trockenfrüchte mit Nüsse sind sehr hilfreich für die Eisenaufnahme
Mangel
marginal: Erschöpfung, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Blässe, Konzentrationsstörungen, gestörtes Haar-/Nagelwachstum, beeinträchtigte Immunfunktion
manifest: Anämie (Blutarmut)
Jod
Funktionen: Cofaktor der Schilddrüsenhormone T3 & T4 → essenziell für eine gute Schilddrüsenfunktion
Zufuhrempfehlung: 200 Mikrogramm/Tag
Quellen: Algen, Jodsalz, Supplemente → auf jeden Fall die zu bevorzugende Quelle!
Mangel
marginal: metabolische Störungen
manifest: Schilddrüsenunterfunktion, einhergehend der sogenannte Kropf (eine vergrößerte Schilddrüse), kognitive Störungen
Sonstiges
globaler Mangelnährstoff (nicht nur in der veganen Ernährung)
Jodstoffwechsel ist abhängig von Selen
Selen
Funktionen: Cofaktor von verschiedenen Selenoproteinen, die unterschiedliche Wirkungen haben, antioxidatives Schutzsystem, Spermien-Baustein, Immunsytsem, beteiligt am Schilddrüsenhormon-Metabolismus, in Zusammenarbeit mit Jod → aus Vorstufe T4 wird aktives T3 gebildet
Zufuhrempfehlung: 60-70 Mikrogramm/Tag
Quellen: Selengehalt in Lebensmitteln abhängig von Bodengehalten und somit vom Anbaugebiet, kann auch innerhalb eines Lebensmittels schwanken; Paranüsse (nicht alle Paranüsse haben den selben Selengehalt), Kohl- und Zwiebelgemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte
Mangel
marginal: unspezifisch
manifest: Kardiomyopathie (Erkrankungen der Herzmuskulatur)
Überdosierung ist wie bei allen Mineralstoffen bzw. Spuren-/Mengenelementen möglich, also hier unbedingt Blutwerte checken und nicht mit der Supplementierung übertreiben
Omega-3-Fettsäuren
Die Zufuhr der sogenannten alpha-Linolensäure als Omega-3-Fettsäure ist für unseren Körper essenziell. Daraus kann der Körper die ebenso wichtigen Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) & Docosahexaensäure (DHA) herstellen, die zwei gelten als semiessenziell.
Funktionen: Energiegewinnung, Fettsäuresynthese, Bestandteile von Zellmembranen, involviert in Entzündungsprozesse (fungieren entzündungshemmend)
Zufuhrempfehlung: alpha-Linolensäure: 0,5% d. täglichen Energie, DHA & EPA: 250 mg/Tag
Quellen
alpha-Linolensäure: Samen wie Leinsamen, Hanfsamen, Chiasamen, sie Walnüsse bzw. noch reicher an Omega-3 sind die daraus gewonnen Öle
DHA & EPA: Mikroalgenöl als Supplement - das kann auf jeden Fall sinnvoll sein, ist aber bei einer ausgewogenen (veganen) Ernährung nicht zwingend notwendig (wie z.B. die Supplementierung von Vitamin B12)
Mangel
erhöhtes Risiko für entzündliche Erkrankungen (Rheuma, Herz-Kreislauf, neurologische Schäden wie Alzheimer, ADHS, oder Depression)
Symptome: zittern, Lichtempfindlichkeit, Muskelschwäche, Konzentrations-, Schlaf- & Wachstumsstörungen, strohige Haare, trockene Haut)
Für welche Nährstoffe empfehle ich eine regelmäßige Supplementierung?
Das kommt natürlich ganz auf deine Lebenssituation und deine Ernährung an. Bist du körperlich gesund und ernährst dich ausgewogen und vollwertig, dann empfehle ich Vitamin B12 und Vitamin D. Aber achtest du vielleicht nicht immer perfekt auf deine Ernährung, bist vielleicht viel unterwegs oder ähnliches, kann es zusätzlich sinnvoll sein, herausfordernde Nährstoffe wie Omega-3, Zink, Eisen, Jod, Selen, Calcium und B2 ergänzend zu supplementieren. Achte hier aber darauf, dass die Mengen nicht zu hoch sind, sondern die Supplemente wirklich nur als Ergänzung und Unterstützung dienen. Nahrungsergänzungsmittel ersetzen keine ausgewogene Ernährung. An dieser Stelle der reminder: Wichtig bei einem Supplemente-Hersteller sind Transparenz und Labornachweise (Schadstoffprüfung & Inhaltsprüfung - beides sollte ohne Nachfrage öffentlich verfügbar sein). Und ich sag es immer wieder gerne: checkt regelmäßig eure Blutwerte. Am wichtigsten ist für sich vegan ernährende Menschen das Vitamin B12. Das zusammen mit Vitamin D sollte man auf jeden Fall jährlich untersuchen lassen.
Blutwerte Analytik:
Vitamin B12: Vitamin-B12-Serumkonzentration, Holo-Transcobalamin, Methylmalonat, Homocystein
Vitamin D: 25-OH-Cholecalciferol (25(OH)D) im Serum
Vitamin B2: B2 im Urin
Calcium: über die Zufuhr abschätzen bzw. Knochendichtemessung, weil der Calciumwert im Blut sehr streng gleich gehalten wird, auch bei einem Mangel (dann wird Calcium aus den Knochen mineralisiert)
Zink: Zink-Serumkonzentration; alkalische Phosphatase
Eisen: Serumeisen, Ferritin (Speicher), Hämoglobinkonzentration
Jod: Jodausscheidung im Urin (spontan; 24 h)
Selen: Plasmaselenkonzentration; Aktivität der Glutathion-Peroxidase; Selenoprotein P
Omega-3: Fettsäureverteilung im Serum (bspw. DHA im Serum)